29.01.2025

ELEMENT-Insolvenzverfahren: Eine Chronologie aus Verbrauchersicht

Der Versicherer ELEMENT Insurance AG ist im vorläufigen Insolvenzverfahren. Nach Presseberichten dürften rund 400.000 Versicherte davon betroffen sein. Welche weitreichenden Folgen dies für Versicherte haben kann, ist im Folgenden anhand zweier realer Fälle aus unserer Beratung dargestellt.


Bislang stehen betroffene Verbraucher*innen vor zwei Problemen:

1. Der Versicherungsschutz von ELEMENT-Verträgen ist massiv gefährdet. Es ist vor allem für neu eingetretene Schäden nicht sichergestellt, dass diese reguliert werden können.

2. Auch wenn der Versicherungsschutz der ELEMENT-Verträge faktisch wertlos sein dürfte, sind die Versicherungsnehmer grundsätzlich zur Prämienzahlung verpflichtet.

Oftmals ist für betroffene Verbraucher*innen nicht erkennbar, dass sie bei ELEMENT versichert sind, weil ELEMENT nicht als Anbieter auftritt, sondern ein anderes Unternehmen als Kooperationspartner. In diesen Fällen ist ELEMENT lediglich als Risikoträger in den Versicherungsbedingungen, dem Versicherungsschein und/oder dem Produktinformationsblatt benannt. Beispielhafte Kooperationspartner sind (nicht abschließend):

  • AutoProtect

  • asspario

  • die Bayerische (das Unternehmen hat ELEMENT-Fahrradversicherungen vermittelt und mittlerweile eine Lösung für betroffene Versicherungsnehmer angeboten)

  • direkt-AS

  • FRIDAY

  •  hepster

  • Manufaktur Augsburg / DEMA

  • PANDA

  • SCHUTZGARANT

  • Volkswagen Financial Services


Chronologie der ELEMENT-Krise

Der zeitliche Ablauf stellt sich bislang wie folgt dar:

November 2024:

  • ELEMENT-Versicherungsnehmer erhalten die Beitragsrechnung für das Jahr 2025 bei Verträgen mit einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr (z. B. für die Wohngebäudeversicherung – soweit uns bekannt am 26. November 2024).

Dezember 2024:

  • Die Süddeutsche Zeitung berichtet am 23. Dezember 2024 über die von der BaFin angeordnete Einstellung des ELEMENT-Neugeschäfts.

  • Die BaFin stellt am 23. Dezember 2024 beim zuständigen Amtsgericht Charlottenburg den Insolvenzantrag für ELEMENT (dazu informiert die BaFin am 17. Januar 2025 auf ihrer Webseite).

Januar 2025:

  • Für ELEMENT-Verträge mit stillschweigender Verlängerung bei einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr werden die Versicherungsprämien – üblicherweise per SEPA-Lastschrift und als Jahresprämie – am 2. Januar 2025 eingezogen.

  • Das Amtsgericht Charlottenburg eröffnet am 8. Januar 2025 das vorläufige Insolvenzverfahren. Rechtsanwalt Friedemann Schade wird zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und informiert am gleichen Tag per Pressemitteilung dazu.

  • Es folgen ab dem 8. Januar 2025 diverse Presseberichterstattungen zum vorläufigen ELEMENT-Insolvenzverfahren (u. a. in der FAZ, die am 16. Januar 2025 berichtet, dass nach einer Schätzung auf Basis von Daten der BaFin rund 400.000 Kund*innen betroffen sein dürften).

  • Am 17. Januar 2025 veröffentlicht die BaFin auf ihrer Webseite FAQ – mit dem Hinweis auf das durch sie am 23. Dezember 2024 beantragte Insolvenzverfahren.

Betroffene Verbraucher*innen konnten also erst nach 1) Ablauf der Kündigungsfrist (bei Verträgen mit einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr) und 2) Abbuchung der SEPA-Lastschrift vom vorläufigen Insolvenzverfahren Kenntnis erlangen – und dies auch nur durch Presseberichte.


Zwei beispielhafte und exemplarische Vorgänge aus unserer Beratung zeigen auf, welche dringenden Handlungsbedarfe im Fall des vorläufigen Insolvenzverfahrens eines Versicherers entstehen, damit der benötigte Versicherungsschutz sichergestellt ist (hier: für die Wohngebäudeversicherung).

Beispiel A: Umdeckung mit Kündigung

Der Versicherungsnehmer (Herr K.) eines ELEMENT-Wohngebäudeversicherungsvertrages erhält im November 2024 die Beitragsrechnung für das Jahr 2025 (Erhöhung um rund 80 Prozent). Er wendet sich unverzüglich an den BdV und möchte zu alternativen Optionen beraten werden.

Durch die BdV-Mitgliederberatung erhält Herr K. Zugang zu einem Vertrag mit besseren Leistungen. Er kann den ELEMENT-Vertrag fristgerecht kündigen und ist ab dem 1. Januar 2025 über seinen Anschlussvertrag versichert.

Mit Kenntnisnahme des vorläufigen Insolvenzverfahrens suchen wir unverzüglich das Gespräch mit dem neuen Versicherer, der daraufhin für unbekannte Schäden vor Vertragsbeginn Deckungsschutz gewährt.

Ergebnis: Dieser Vorgang hat zu einem idealen Ergebnis für den Verbraucher geführt. Herr K. konnte den benötigten Versicherungsschutz fortführen und muss auch keine „doppelte“ Prämienzahlung leisten. Allerdings war hier die Entscheidung zur Umdeckung ein Ergebnis des Beratungsprozesses, der unabhängig von dem vorläufigen ELEMENT-Insolvenzverfahren erfolgte (der Insolvenzantrag erfolgte erst am 23. Dezember 2024).

Beispiel B: Umdeckung ohne Kündigung im Zuge des Immobilienerwerbs („doppelte“ Prämienbelastung für den Veräußerer)

Frau S. möchte von Herrn R. im Februar 2025 eine Immobilie kaufen.

Der Versicherungsschutz für das Wohngebäude von Herrn R. wurde von seinem Versicherungsmakler zum 1. Januar 2025 umgedeckt (zu ELEMENT – Versicherer I) – die Jahresprämie für 2025 wird am 2. Januar 2025 per SEPA-Lastschrift abgebucht. Am 21. Januar 2025 – also unmittelbar vor der Bezahlung und dem Besitzübergang – wendet sich Frau S. zunächst an den zuständigen Notar, nachdem sie in der Zeitung vom vorläufigen ELEMENT-Insolvenzverfahren gelesen hat.

Für Frau S. bestehen folgende Probleme:

1.    Der Versicherungsschutz für das Objekt ist faktisch wertlos und bis zur Eintragung von Frau S. im Grundbuch kann sie keinen Vertrag für dieses Objekt abschließen.

2.    Frau S. wendet sich an Herrn R. sowie an seinen Versicherungsmakler. Laut Auskunft des Versicherungsmaklers ist der ELEMENT-Vertrag nicht mehr stornierbar und die gezahlten Beiträge können nicht mehr zurückgefordert werden. Darüber hinaus erfolgt zunächst durch ihn kein Beitrag zur Lösung des Problems.

3.    Frau S. und Herr R. wenden sich an einen Gebäudeversicherer (Versicherer II), um sich zu möglichen Optionen beraten zu lassen. Die Mitarbeiterinnen von Versicherer I äußern, dass der Abschluss eines Wohngebäudeversicherungsvertrags mit sofortigem Versicherungsschutz nicht möglich ist, solange ein anderweitiger Versicherungsschutz besteht. Auch auf den Hinweis auf das vorläufige ELEMENT-Insolvenzverfahren antworten die Mitarbeiterinnen, dass der bestehende Versicherungsvertrag nachweislich gekündigt sein muss und nicht mehr bestehen darf.

Am 22. Januar 2025 wendet sich Frau S. an die BdV-Mitgliederberatung. Nach unserer Beratung zum versicherungsrechtlichen Rahmen empfehlen wir ihr, mit Herrn R. erneut das Gespräch mit seinem Versicherungsmakler zu suchen und schnellstmöglich den benötigten Versicherungsschutz mit vorläufiger Deckungszusage zu beschaffen, damit sofortiger Versicherungsschutz für das Wohngebäude besteht. Nach einigen Stunden gelingt dies bei Versicherer III und der neue/zweite Wohngebäudeversicherungsvertrag kann zum 23. Januar 2025 policiert werden.

Ergebnis: Dieser Vorgang hat für die Verbraucher dazu geführt, dass der Worst Case vermeidet werden kann (Schadensfall ohne Regulierung im Umfang der vertraglich vereinbarten Leistung). Der Veräußerer Herr R. und die Erwerberin Frau S. können den benötigten Versicherungsschutz fortführen. Allerdings muss Herr R. zunächst eine „doppelte“ Prämienzahlung (für zwei Verträge) leisten.1) Ob, 2) in welcher Höhe und 3) wann er im Insolvenzfall die überzahlten Prämien für den ELEMENT-Vertrag ausgezahlt bekommt, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantworten.

Diese beiden beispielhaften Fälle zeigen auf, dass nur durch schnelles Handeln – und ein Stückweit durch „Glück“ – der Worst Case abzuwenden ist. Wie viele der rund 400.000 Kundinnen und Kunden weniger Glück haben – und unter Umständen bislang noch nichts von dem vorläufigen Insolvenzverfahren wissen – bleibt abzuwarten.

Vor allem stellt sich die Frage, welchen konkreten Nutzen die bestehenden Insolvenzvorschriften für Verbraucher*innen haben, wenn sie lediglich über eine „zufällige“ Presselektüre von den drohenden Konsequenzen erfahren. Es bleibt zu hoffen, dass der ELEMENT-Vorgang zu einem politischen Nachspiel führt.


Constantin Papaspyratos | © Achenbach 2023

Über mich

Ich heiße Constantin Papaspyratos und bin Chefökonom beim BdV. Nach meinem Ökonomie-Studium und diversen Tätigkeiten im parlamentarischen Bereich habe ich 2016 beim BdV angefangen. Neben der Frage, weshalb die Kapitalanlagen bei klassischen Kapitallebensversicherungen als Giffen-Güter funktionieren, beschäftige ich mich mit Personenversicherungen (v. a. Kranken-, Pflege- und Arbeitskraftabsicherung).