14.11.2024

Bagatellschaden in der Privathaftpflichtversicherung – melden oder nicht?

Wenn im Alltag Missgeschicke passieren, ist der erste Gedanke oft: „Zum Glück bin ich versichert!“ Denn die Privathaftpflichtversicherung springt ein und übernimmt die Kosten, wenn man anderen versehentlich einen Schaden zufügt. Aber nicht immer ist es sinnvoll, die Versicherung in Anspruch zu nehmen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, warum Verbraucher*innen bei kleineren Schäden – sogenannten Bagatellschäden – gut abwägen sollten, ob sich eine Meldung bei der Versicherung wirklich lohnt und wann es besser ist, die Kosten selbst zu übernehmen.


Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Kleine Schäden wie zerbrochene Vasen können Sie selbst zahlen, um Kündigungsrisiken und bürokratischen Aufwand zu vermeiden.

  • Häufige Schadenmeldungen können zu Kündigungen und Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Versicherer führen.

  • Melden Sie hohe Schäden und alle Personenschäden unbedingt, ebenso bei drohenden rechtlichen Auseinandersetzungen und Folgeschäden.

  • Privathaftpflicht erstattet nur den Zeitwert, nicht den Neuwert eines beschädigten Gegenstands.

  • Fazit: Bagatellschäden in der Regel selbst zahlen; nur größere oder rechtlich komplizierte Fälle der Versicherung melden.



Was ist ein Bagatellschaden?

Ein Bagatellschaden ist ein kleiner Schaden. Typische Beispiele sind eine zerbrochene Vase, eine umgestoßene Lampe oder eine Brille, auf die man sich versehentlich gesetzt hat. Die Reparatur- oder Ersatzkosten bewegen sich hier in der Regel im zwei- bis niedrigen dreistelligen Bereich.

Haben Sie eine Selbstbeteiligung oder einen Selbstbehalt mit dem Versicherer vereinbart, zahlen Versicherte bei jedem Schadenfall einen vereinbarten Betrag beziehungsweise Anteil der Schadensumme selbst. Ist der Schaden so gering, dass die Selbstbeteiligung den Schaden übersteigt oder liegen die Schadenkosten nur knapp über der vereinbarten Selbstbeteiligung, ist es sinnvoll, den Schaden ohne die Versicherung zu regulieren.

Tipp: Wählen Sie bei Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung einen Selbstbehalt, der so bemessen ist, dass er Sie wirtschaftlich nicht überfordert. Wir empfehlen einen Bereich bis 500 Euro.

Warum sollten Sie Bagatellschäden nicht melden?

Es gibt mehrere Gründe, warum Sie bei einem Bagatellschaden nicht Ihre Privathaftpflichtversicherung in Anspruch nehmen sollten:

  • Kündigungsrisiko durch den Versicherer: Bei kleinen Schäden besteht das Risiko einer Kündigung durch den Versicherer. Häufige Schadenmeldungen können dazu führen, dass Ihre Versicherung den Vertrag beendet. Der Versicherer hat nach jedem Schaden das Recht, den Vertrag zu kündigen. Dann müssen Sie sich nach einer neuen Versicherung umsehen – und zwar mit einem schadenbelasteten Vertrag. Einen neuen Anbieter zu finden, der Ihnen ohne höhere Beiträge oder Einschränkungen den gewünschten Schutz bietet, kann schwierig werden.

  • Erhöhung der Selbstbeteiligung: Hat der Versicherer aufgrund mehrerer Schadenmeldungen den Vertrag gekündigt, können Sie ihn fragen, welche Möglichkeiten es gibt, den Vertrag doch noch fortzusetzen. Aufgrund der Schadenhistorie könnte der Versicherer dann beispielsweise eine Erhöhung der Selbstbeteiligung vorschlagen.

  • Aufwendige Schadenregulierung: Die Bearbeitung eines Schadens kann sowohl für den Versicherer als auch für den Versicherungsnehmer zeitaufwendig und bürokratisch sein: von der genauen Schadenmeldung bis zu einzelnen Nachweisen. Gerade bei Bagatellschäden ist der Aufwand oft unverhältnismäßig, sodass es in vielen Fällen schneller und unkomplizierter ist, den Schaden selbst zu begleichen.

Wann sollten Sie auch einen Bagatellschaden der Versicherung melden?

Trotz der genannten Nachteile bei der Meldung kleinerer Schäden, gibt es Situationen, in denen Sie nicht zögern sollten, Ihre Privathaftpflichtversicherung zu informieren. Wenn der Schaden erhebliche Kosten verursacht oder ein Rechtsstreit droht, ist es ratsam, sich an die Versicherung zu wenden. Personenschäden sollten Sie immer melden.

Auch wenn Sie sich bei einem vermeintlichen Bagatellschaden unsicher sind, ob Sie haftbar gemacht werden oder ob es sich doch um einen größeren Schaden handeln könnte, sollten Sie die Versicherung hinzuziehen. Denn die Privathaftpflichtversicherung hilft Ihnen nicht nur, indem sie Schäden bezahlt. Sie wehrt auch Schadensersatzansprüche ab, die jemand zu Unrecht gegen Sie erhebt – notfalls auch vor Gericht. Insoweit ist sie zugleich auch eine Art Rechtsschutzversicherung.


Achtung: Grundsätzlich sind Sie verpflichtet, Ihrem Versicherer jeden Schaden zu melden. Das ist insbesondere bei Bagatellschäden wichtig, bei denen zu befürchten ist, dass aus Ihnen doch noch ein größerer Schaden entsteht - wegen sogenannter Folge- und/oder Allmählichkeitsschäden. Dann hätte der Versicherer nämlich das Recht, die Leistung zu kürzen oder sogar ganz zu verweigern, mit der Begründung, dass Sie gegen Ihre Meldeobliegenheiten verstoßen haben.


Gut zu wissen: Ein Schädiger schuldet nur die Wiedergutmachung des verursachten Schadens - er muss den Zustand wiederherstellen, der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht stattgefunden hätte. Bei einem Sachschaden ist die Reparatur (soweit möglich) oder der Ersatz zu leisten. Ist eine Neuanschaffung nötig, erhält die geschädigte Person nur den Zeitwert ersetzt, da der beschädigte Gegenstand bereits in Gebrauch und dadurch abgenutzt war. Kauft ein Geschädigter als Ersatz für die beschädigte Sache etwas Neues muss er selbst die Differenz zwischen Kaufpreis (Neuwert) und Zeitwert zahlen.

Fazit: Bagatellschaden selbst zahlen oder Privathaftpflichtversicherung nutzen?

Kleine Schäden, die nur geringe Kosten verursachen, sollten besser nicht über die Privathaftpflichtversicherung abgewickelt werden. Denn wiederholte Schadenmeldungen können dazu führen, dass man entweder eine höhere Selbstbeteiligung zahlen muss oder der Versicherer den Vertrag kündigt. Das macht es dann wiederum schwierig oder sogar unmöglich, einen neuen Versicherungsvertrag abzuschließen.

Nutzen Sie Ihre Privathaftpflichtversicherung nur dann, wenn der Schaden signifikante Kosten verursacht oder rechtliche Fragen aufwirft. In den vielen Fällen kann es einfacher und günstiger sein, Bagatellschäden selbst zu zahlen.

Weitere wichtige Informationen und Tipps finden Sie in unserem kostenlosen Infoblatt Privathaftpflichtversicherung.


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Julia Alice Böhne, Pressereferentin beim Bund der Versicherten

Über mich

Ich bin Julia Alice Böhne und seit Februar 2018 als Pressereferentin beim Bund der Versicherten. Zuvor habe ich mehrere Jahre als Journalistin bei einem Fachmagazin für und über die Finanz- und Versicherungsbranche geschrieben. Der Aspekt des Verbraucherschutzes hat mich dabei besonders interessiert. Denn je mehr ich mich mit Versicherungen beschäftigt habe, desto deutlicher wurde, wie undurchsichtig die Branche und ihre Produkte für die meisten Menschen sind. Gleichzeitig empfinden viele das Thema als langweilig oder gar lästig, obwohl es teilweise um existenziellen Schutz geht. Ich möchte dazu beitragen, diese Intransparenz zu beseitigen und mehr Interesse an Versicherungsthemen zu erzeugen – unter anderem mit Beiträgen im BdV-Ratgeber.